ein jeder ist nicht nur verantwortlich für das, was man tut, sondern auch für das, was man nicht tut
Zu Sokrates kam eine Frau und sagte: »Höre, ich muss dir etwas Wichtiges über deinen Freund erzählen!« »Warte ein wenig«, unterbrach sie der Weise, »hast du schon das, was du mir erzählen willst, durch die drei Siebe hindurchgehen lassen?« »Welche drei Siebe?« fragte diese. »So höre: Das erste Sieb ist das der Wahrheit. Hast du dich von der Wahrheit der Sache vergewissert?« »Nein, ich habe es von einer Anderen gehört«, erwiderte die Frau. »Nun denn, das zweite Sieb ist das der Güte. Ist die Ursache dafür, dass du diese Nachricht weitergeben willst, einem gütigen Motiv deines Herzens entsprungen?« Die Frau musste schweigen. »Das dritte Sieb ist schließlich das der Nützlichkeit. Glaubst du, dass diese Nachricht meinem Freund oder mir von Nutzen sein wird?« Die Frau drehte sich wortlos um und ging.
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Ein Mann beschloss, einen Garten anzulegen. Er bereitete den Boden vor und streute den Samen wunderschöner Blumen aus. Als die Saat aufging, wuchs auch der Löwenzahn. Da versuchte der Freund der Blumen mit mancherlei Methoden, des Löwenzahns Herr zu werden, und machte sich, als alles nichts half, auf, um in der fernen Hauptstadt den Hofgärtner des Königs zu befragen.
Der weise alte Gärtner, der schon so manchen Park angelegt und allzeit bereit-willig Rat erteilt hatte, gab vielfältige Auskunft, wie der Löwenzahn loszuwerden sei. Aber es erwies sich, dass der Fragende schon alles erprobt hatte.
So saßen die beiden eine Zeitlang schweigend beisammen, bis am Ende der Gärtner den Ratlosen schmunzelnd anschaute und sagte: »Wenn denn alles, was ich dir vorgeschlagen habe, nichts genützt hat, dann gibt es nur einen Ausweg: Lerne, den Löwenzahn zu lieben.«
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Im alten Indien verurteilte ein König einen Mann zum Tode. Der Mann bat den König, das Urteil aufzuheben, und fügte hinzu: »Wenn der König gnädig ist und mein Leben schont, werde ich seinem Pferd innerhalb eines Jahres das Fliegen beibringen.«
»Es sei«, sagte der König, »aber wenn das Pferd in dieser Zeit nicht fliegen lernt, wirst du dein Leben verlieren.«
Als seine Familie voll Sorge den Mann später fragte, wie er sein Versprechen einlösen wolle, sagte er: »Im Laufe eines Jahres kann der König sterben. Oder das Pferd kann sterben, oder es kann fliegen lernen. Wer weiß das schon?«
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