Yogablog

Samskaras – Gewohnheiten verändern

9 Dez 2013

Gewohnheiten verändern, die ich ändern kann, erfordert Mut und Kraft. Für alles, was ich ändere, übernehme ich die Verantwortung, arbeite zielstrebig und kreativ darauf hin zu, muss dann aber auch bereit dazu sein, wieder loszulassen, zulassen, annehmen und Gott vertrauen, so befreit von Hindernissen, dann kann Gutes entstehen. Tun und Sein, als Parallele zu Abhyasa (fortdauernder und entschlossener Übung) und Vairagya (loslassen, frei sein von Begierden), die zusammengehören. Nur wenn sich beide die Waage halten ist es möglich, die inneren Bewegungen zur Ruhe zu bringen. Es ist die Balance zwischen Tun und Sein, der Ausgleich zwischen dem Annehmen seiner selbst und der Entschlossenheit, das an sich zu ändern, was geändert werden muss.

Eingefahrene Verhaltensmuster sind meist tief im Unterbewusstsein eingelagert. Es liegt in unserem eigenen Interesse, positives Handeln zu betonen und eingefahrene Gewohnheiten immer mehr zu befreien. Mit Hilfe von Yoga können wir Samskaras erkennen, ausfindig machen, und beginnen, uns davon zu befreien oder in einer Form von Konditionierung in gute Gewohnheiten umzuwandeln. Ziel ist nicht einfach, nur schlechte Samskaras zu beseitigen, sondern auch gutes Handeln zu kultivieren, um gute Samskaras aufzubauen. Mit Hilfe von Yoga können wir Strukturen, feste Muster und alte Gewohnheiten wahrnehmen, erkennen, uns damit auseinander setzen, durchschauen, transformieren und wenn nötig auflösen. In der Psychologie wird dieser Vorgang als Verlernen bezeichnet. Verlernen ist ein Prozess, der wieder neu gelernt werden muss. Das was wir am meisten verlernen sollten, ist: das Vermeidungsverhalten. Nur wer seine Grenzen erkennt, kann diese erweitern und überwinden.

Freiheit existiert in unserem Körper, im Geist und in der Seele. Der Yoga-Weg ist ein Weg in die innere Freiheit. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir lernen, uns von unseren Gewohnheiten zu lösen. Wir müssen gutes Handeln kultivieren, um gute Samskaras aufzubauen, die negativen in positive umwandeln, um uns dann ganz davon zu lösen. Langes, einfühlsames, ununterbrochenes Üben von Asana und Pranayama schaffen ein festes Fundament und führen zum Erfolg. Geduld und diszipliniertes Üben entwickeln Willenskraft. Willenskraft ist die Bereitschaft etwas zu tun. Mit Willenskraft und Hingabe schaffen wir einen kontinuierlichen Fortschritt im Bemühen unsere Fähigkeiten weiter zu entwickeln. Im Yoga beschreiten wir einen Weg und das bedeutet, wir sind in Bewegung. Es ist ein Fehler, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen und sich die Erfahrungen der Vergangenheit wie einen Stempel ins Bewusstsein einzuprägen, auch mechanisches Üben ist nur ein stetes Wiederholen, das den Geist abstumpft.

Gunas, die Grundqualitäten der Natur, sind drei gegensätzliche Kräfte, deren Ausgleich aber der Schlüssel für ein Leben in Balance ist:

  • Tamas (Masse oder Trägheit)
  • Rajas (Energie, Tatkraft, Dynamik)
  • Sattva (Leuchtkraft, Lichtheit)

Das bedeutet, dass wir uns am Anfang im Üben mehr anstrengen müssen, weil Tamas, der Widerstand, die Trägheit im Körper größer ist. Wirkt sich Rajas als Begriffsstutzigkeit im Gehirn aus, ist auch das eine Belastung für Gehirn und Nervensystem. Wir müssen lernen, die Kräfte der Gunas zu beobachten und identifizieren, damit sie im richtigen Verhältnis ausbalanciert sind und die Schönheit von Sattva zum Vorschein kommt. Diese Fähigkeit versetzt uns in die Lage, Schmerzen zu vermeiden und Krankheiten zu heilen. Schmerz ist ein Bestandteil der Asana-Praxis. Schmerz ist der Lehrer. Die spirituelle Haltung ist, dass wir uns beharrlich und ausdauernd Schmerzen annehmen und uns hindurchbewegen, ohne ihnen zu erliegen oder vor ihnen davonzulaufen, um das Gute darin zu sehen. Mit Asana und Pranayama nutzen wir Techniken, unvermeidliche Schmerzen und Qualen zu ertragen und zu überwinden. Asanas helfen uns, höhere Toleranzgrenzen zu entwickeln, um Stress und Druck leichter auszuhalten. Um in einem Asana über längere Zeit zu verweilen, brauchen wir Ausdauer und Durchhaltevermögen. Um es zu meistern, brauchen wir Geduld und Disziplin. Damit unerträglicher Schmerz gelindert oder sogar beseitigt werden kann, muss Spannung und Entspannung in einer Haltung im richtigen Maß eingesetzt werden.

Innere Achtsamkeit, Verfeinerung der Wahrnehmung; sich selbst kennen, achten und verstehen lernen, eigene Achtsamkeit mit ins Üben bringen, Grenzerweiterung durch Dehnen und Entspannen; Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit in Umgang mit sich selbst.

Satya (Wahrheit) soll in der Verpflichtung gegenüber anderen im Sinne von Ahimsa (Nichtverletzen) gemildert werden. (Ahimsa-Parama-Dharma) »Nichtverletzten ist die höchste Pflicht.« Nur wenn etwas wahr, hilfreich, freundlich und notwendig ist, soll es gesagt werden, d.h. keine Unwahrheiten, aber auch keine Wahrheiten, die andere verletzen. Ahimsa bedeutet, keiner Kreatur Schmerzen zu verursachen, niemals und auf keine Weise.

Noch bevor wir handeln, können mit bewusster Atmung Reaktionen verlangsamen und im Ausatmen unser Ego hingeben. Die Atempause, der Moment des Innehaltens, gibt uns Zeit und Raum für kognitive Betrachtung, korrigierende Reaktion und Neueinschätzung. Das wird zu einem Endlosprozess, der uns wieder in den gegenwärtigen Augenblick versetzt. Die Vergangenheit spielt keine Rolle und der Blick für die geistige Gegenwart wird geschärft. Erfahrungen aus der Vergangenheit können hier aber auch sehr nützlich sein. Wenn ich das Gefühl habe etwas Falsches zu tun, kann ich aus meinem Erfahrungsschatz schöpfen, um weiter zu kommen, aber keinesfalls um an Vergangenem hängen zu bleiben. So arbeiten Gewahrsein, Unterscheidungs- und Erinnerungsvermögen zusammen und das kreative Denken führt zu Wissen und Selbsterkenntnis. Wenn sich Gewahrsein mit der Intelligenz verbunden hat, können wir in absoluter Ehrlichkeit sehen und erkennen. Erinnerung ist sinnlos, wenn wir dadurch ständig Vergangenes wiederholen. Erinnerung ist nützlich und notwendig, um auf Zukünftiges vorzubereiten und uns weiter zu entwickeln.

Klesa – zukünftiges Leid vermeiden

12 Nov 2013

So wie es unterschiedliche Arten von Leiden und vielfältige Gründe dafür existieren, gibt es auch Möglichkeiten, diese Leiden und ihre Ursachen abzustellen und Wege um dieses Beenden zu verwirklichen. Ein positiver und konstruktiver Umgang mit dem Leiden ist der Versuch, das Problem zu verstehen und die Ursache herauszufinden, etwas zu ändern und dadurch innere Stärke zu erlangen, dass man etwas tut oder sich zu etwas überwindet, was dem Geist zunächst widerstrebt, um dann loszulassen und die Situation so anzunehmen, wie es ist. Mit Hingabe und Vertrauen zu Gott: Alles ist in Ordnung, wie es ist. Hingabe an Gott ist keinesfalls religiös fanatisch zu verstehen, sondern hundertprozentige Hingabe an das eigene Tun. Ethische Prinzipien sind darauf ausgelegt, das Leben erträglicher zu machen. Tatsächlich kann es besser sein, an keinen Gott zu glauben, und so zu handeln als existiere er, als an ihn zu glauben und so zu handeln als gäbe es ihn nicht. Der Yogaweg ist etwas Verbindendes über alle Religionen und Weltanschauungen hinweg.

Leiden ist wie eine Krankheit, die wir uns alle zugezogen haben. Schmerzen sind ein Art des Leidens und wir alle streben danach, diese wieder los zu werden. Eine andere Art des Leidens ist das Leiden der Veränderung, das wir oft als Genuss und Freude wahrnehmen, die aber meist nur eine Verringerung von Schmerz ist, dessen Folgen lange Zeit verborgen bleibt. Wären beispielsweise Essen und Trinken nur angenehm, dann wären wir umso glücklicher, je mehr wir zu uns nehmen, aber in Wirklichkeit beginnen wir an Körper und Seele zu leiden. Das bedeutet, Genuss und Freuden können durchaus die Natur von Schmerz haben. Leiden können ebenso mit Karma und frühere Leid bringenden Gefühlen wie zum Beispiel Begierde und Hass in Verbindung stehen. Wir werden in Situationen hineingeboren, die wir nicht kontrollieren können und müssen Geburt, Krankheit, Alter und Tod unserem Leben durchleiden, weil wir keine andere Wahl haben. Dazu kommt die Unzufriedenheit, ständig immer noch mehr besitzen zu wollen, ohne dass uns das auch nur ein Stückchen mehr Zufriedenheit bringt. Das ist im Grunde wirkliche Armut. Wir verlieren dadurch den wahren Wert des Mensch-Seins aus den Augen.

Heutzutage ist es normal zu leben, um Geld zu verdienen, aber es sollte genau umgekehrt sein. Wir brauchen Geld, um zu leben, aber es schadet, wenn wir uns zu sehr an materielle Güter hängen. Unser Leben ist begrenzt und auch die Menge dessen, was wir besitzen können. Spirituell können wir uns grenzenlos erweitern. Oft ist es aber auch hier genau umgekehrt, auf der spirituellen Ebene sind wir mit ein bisschen Üben zufrieden, aber auf materiellem Gebiet bekommen wir nicht genug. Das ist der falsche Weg. »Spirituelle Werte sind nicht die Soße auf der Mahlzeit des materiellen Lebens, die man vielleicht nur mal am Sonntag zu Gemüte führt. Sie sind das Hauptgericht, das was uns nährt und aufrechterhält. Materielle Werte sind die Soße, und die können helfen, das Leben außerordentlich angenehm zu gestalten.«

Wir sollten uns viel mehr um Körper und Geist kümmern, die wir allzu oft vernachlässigen, denn gerade Strapazen und Stress verursachen Schmerz und Krankheit und führen zu seelischen Leiden. Wenn wir ehrlich mit uns selbst sind, fällt es schwer, das Streben nach Geld für den Sinn des Lebens zu halten. Mitgefühl verleiht dem Leben einen Sinn. Zufriedenheit ist eine Grundlage, welche die Entwicklung von Achtsamkeit unterstützt. Achtsamkeit ist ein Gut, das in der heutigen Zeit immer mehr verloren geht, ist aber, genauso wie Liebe und Mitgefühl, wichtiger ist als alles andere. Anderen immer nur die Schuld zuzuweisen, ist eine wesentliche Ursache für Unzufriedenheit. Mitgefühl für das Leiden anderer bedeutet mehr als bloßes Mitleid. Wirkliches Mitgefühl ist kraftvoll und stets ein Antrieb zum Handeln, zur Fürsorge, zum intelligenten Eingreifen.

Unproduktive Arten, um schwierigen Situationen zu begegnen sind: leugnen, ärgern und wütend sein, Depression, Resignation, Niedergeschlagenheit, unreflektiertes Fliehen und Kämpfen. Erst das Bewusstmachen, Tätig werden und Wiederloslassen versetzt uns in die Lage, Leiden zu vermeiden. Spirituelles Üben dreht sich nicht um Äußerliches, sondern findet in unserem Herzen und in unserem Geist statt. Dazu brauchen wir Geduld. Wichtig ist, unbeherrschte Geisteszustände zu erkennen und abzubauen.

Es ist aber noch wichtiger, Schicksalsschlägen, Schwierigkeiten und Unglück mit einer positiven Einstellung, Optimismus und Hoffnung zu begegnen. Wenn wir zum Beispiel über Ärger nachdenken, können wir zu der Einsicht kommen, dass Ärger absolut sinnlos ist und immer nur mir selbst schadet. Mit Entschlossenheit können wir dann daran arbeiten, Ärger schrittweise zu verringern. Wenn mich etwas immer wieder wütend macht, findet an dem Tag etwas Neues statt, an dem ich mich entscheide, nicht mit Ärger zu reagieren. Gut dazu, ist eine Übung der Achtsamkeit, in der ich alles, was ich wahrnehme, registriere, einfach wunschlos beobachte, nicht kommentiere, nicht beurteile, nicht benenne, einfach so stehen lasse. Yoga hilft dabei innovativ, zu sein und eine Intelligenz zu entwickeln, die eine neue Beziehung zwischen Ego und Umwelt aufbaut.

Ähnlich können wir das in Bezug auf Gefühle wie Lust, Zorn, Eifersucht und Hass praktizieren und dadurch unsere Einstellungen dazu positiv verstärken. Hoffnungslosigkeit ist ein schwerwiegender Grund für Misserfolg. Unter keinen Umständen sollten wir die Hoffnung verlieren und nie vergessen, dass jedes Problem überwunden werden kann. Gelassen bleiben, auch dann, wenn es in manchen Situationen kompliziert und aussichtslos erscheint. Solange der Geist in Frieden bleibt, ist alles nicht so schlimm. Wenn der Geist dem Hass nachgibt, kann sich kein geistiger Frieden entwickeln, deshalb brauchen wir eine positive Einstellung gegenüber Schwierigkeiten. Indem wir schwierige Situationen mit Würde durchstehen, können wir noch schlimmere Konsequenzen von zukünftigen schlechten Handlungen verhindern.

Fünf Schmerz verursachenden Leiden (Klesa) behindern uns in unserer Weiterentwicklung, weil sie das Gleichgewicht des Bewusstseins stören:

1. Avidya: Nicht-Wissen, Nicht-Verstehen, falsches Verstehen, Unbewusstsein
2. Asmita: Ich-Verhaftung, Stolz, Hochmut, Egoismus, falsche Identifikation
3. Raga: Leidenschaft, Wunsch, Gier, Anhaftung, Begierde, v.a. am Vergnügen
4. Dvesa: Nichtmögen, Abneigung, Hass, Ablehnung, v.a. gegen Schmerz
5. Abhinivesa: Furcht, Angst, Anhaften, vor allem am eignen Leben

Jede/r Einzelne muss bereit dazu sein im Leben etwas tun um Veränderungen zu zulassen und anzunehmen. Jammern hilft nicht. Klesas sind im Yoga veränderbar und werden nicht einfach so hingenommen, unterdrückt oder verleugnet, sondern sollen gelöst werden. In der Bhagavad Gita erklärt Arjuna die Bedeutung des Yoga als Befreiung von Leid und Sorgen, wenn der Geist gebändigt und von allen Begierden erlöst ist und die Vereinigung mit dem höchsten Selbst übt. Wer in Ernährung und Vergnügen mäßig ist, in seinen Handlungen Zurückhaltung übt und Schlafen und Wachen regelt, dem wird das alle Leiden tilgende Yoga zuteil.

Wir alle haben Leiden, weil Fluten von Gedanken die Harmonie des Geistes stören. Wir sind gefangen in einem Netz aus Lust, Ärger, Hass, Gier, Besessenheit, Verblendung, Stolz, Eifersucht usw. Wenn die Leiden verringert oder beseitigt werden, kommt der Geist zur Ruhe. Lassen wir den Leiden freien Lauf, können psychosomatische Erkrankungen die Folgen sein. Gefühle sind aber auch der Antrieb für unsere Entwicklung. Deshalb müssen wir lernen, diese zu kultivieren. Das ist nur möglich, indem wir uns mit unseren Gefühlen auseinandersetzen und dann wiederum die frei werdenden Energien für uns nutzen. Wir dürfen Gefühle nicht einfach unterdrücken, ignorieren, aber genauso wenig dürfen wir uns zu sehr mit unseren Gefühlen identifizieren.

Wer ein Problem erkennt und sich entscheidet, daran etwas zu ändern, muss dieses Problem anerkennen, um dann die Ursachen zu ergründen. Um uns zu helfen gibt Patanjali den Rat, äußere heilsame Geisteszustände zu kultivieren: Freundlichkeit, Freude am Glück anderer, Mitgefühl und Gelassenheit gegenüber Kummer, Untugenden und Laster. Jede andere Reaktion, wie Neid, Eifersucht, Ärger, Empörung oder Unmut, erzeugt keinen Frieden. Je mehr wir es schaffen, heilsame Geistesbewegungen umzusetzen, unser Ego zurückzunehmen und weniger anhaften, umso mehr bringen wir unseren Geist unter Kontrolle und unser Herz zur Ruhe. Nur so können die Leiden des Körpers verringert oder beseitigt werden. Der Geist findet dann den rechten Weg, um auf dem spirituellen Weg seine nächste Aufgabe zu bewältigen. Auf dem Weg nach innen verringert Yoga-Praxis Klesas durch Meditation (Dhyana) und fördert Samadhi. Bemerkenswert ist, dass Gefühle durch Prana beeinflusst werden das heißt, dass wir über die Atmung in der Lage sind, auf Gefühle direkten Einfluss zu nehmen.

Patanjali beschreibt neun Krankheitsformen, die er in physische, emotionale und seelische unterteilt und zeigt dann, wie man diese mit Hilfe des Achtfachen Pfades überwinden kann.

In Avidya, der Unwissenheit, liegt der Grund, aus der heraus die anderen vier Klesas genährt werden. Durch Unwissenheit werden unsere Begierden getrieben und wir halten das Vergängliche, Unreine, Leidvolle fälschlicherweise für das Reine, Freudvolle. Beispielsweise bemüht sich unser Körper von Natur aus rein zu bleiben. Mit Hilfe unterschiedlicher Reinigungspraktiken können wir unseren Körper dabei unterstützten. Oft machen wir aber genau das Gegenteil. Von Natur aus ist nicht vorgesehen, dass wir uns mit allen möglichen Konservierungs-, Geschmacks-, Aroma- und Farbstoffe voll stopfen. Die Natur hat auch nicht vorgesehen, dass wir unseren Körper zum Grab von Tierleichenteilen machen. Jedes Lebensmittel, das wir zu uns nehmen, wird ein Teil von uns. Ist es die Schönheit und Komplexität der kosmischen Intelligenz, die durch Naturbelassenheit zum Ausdruck kommt, so ist es dieselbe kosmische Intelligenz, an der wir dann Teil haben. So wie wir uns mit unserem Körper identifizieren, identifizieren wir uns auch mit unseren Talenten, Fähigkeiten und Neigungen. Oft halten wir das Schmerzvolle für gut und freudvoll, aber das Sinnliche ist letztendlich nicht wirklich freudvoll. Avidya hindert uns daran, die Wahrheit zu sehen.

Asmita ist die Ursache von intellektuellen Leiden: mangelndes Verständnis, Arroganz und Stolz, ein intellektueller Defekt, der im Kopf beginnt. Ein Ego, das sich aufbläht und selbstgefällig wird. Dadurch geht das Gefühl für ein rechtes Maß und die Rücksichtnahme für andere verloren. Wir leiden, sobald wir keine Anerkennung bekommen oder Kritik an unserer Person geübt wird.

Raga, steht für emotionale Defekte: Anhaftung, aber auch Abhängigkeit und Aversion. Wenn man vollkommen befriedigt immer noch mehr haben möchte, führt das zur Abhängigkeit, da keine Befriedigung mehr erreicht werden kann. Dadurch entsteht Schmerz, Unglück oder Neid. Es ist das Anhaften an Dingen, an Menschen, aber auch die zwanghaft, pervertierte Liebe zu Tieren oder zu Gegenständen, wie z.B.: Autos.

Gier, Neid, Macht, Geld, Sex. Gier ist das größte Verhängnis vieler Menschen. Die anderen Triebe resultieren daraus. Triebe die die Ich-Du-Beziehung zu einer Ich-Es-Beziehung werden lassen. In einer Es-Beziehung wird mit allem als Objekt des Besitzes umgegangen, sowohl im Handeln als auch Nutzen, der daraus gezogen wird. Missbrauch auf der sachlichen Ebene schadet dem Ego. Dankbarkeit gegenüber allem ist hier das richtige Gefühl, dann hat das Ego nichts mehr zu tun. Ein egobezogenes Ich verlangt ständig, dass man seinen Launen nachgibt und seine Ängste beruhigt, wobei das nie möglich ist, weil es nie zufrieden ist. Augustinus sagt: »Liebe, und dann tu´ was du willst!« Tue was du tust, sei hundertprozentig bei dem, was du tust – absichtslos, und lass dich von nichts und niemandem täuschen, auch nicht von Dir selbst!

Dvesa ist eine emotionale Abneigung, vor allem gegen Schmerz, die sich in Hass umwandeln kann und aus der heraus wiederum psychosomatische Krankheiten entstehen können. Aber aus den eigenen Fehlern können wir nur lernen, wenn wir das Göttliche in jedem Menschen sehen.

Abhinivesa ist eine instinkthafte Anhaftung. Abhinivesa ist das Klesa, das am schwierigsten zu überwinden ist, aber selbst dafür zeigt uns Patanjali einen Ausweg. Leiden entsteht erst dann, wenn Menschen an Vergänglichem festhalten. Das größte Leid entsteht durch das Festklammern am eigenen Leben, dem Leiden an der Veränderung, das ist der Nährboden für alle anderen Ängste.

Krankheit ist nicht nur physisch, sondern alles, was das spirituelle Leben stört und behindert ist Störung oder Leiden. Kranksein heißt, dass ein Körperteil seine Sensibilität verloren hat. Gesundheit ist mehr, als einfach nicht krank zu sein.

Warum Yoga?

8 Okt 2013

Um einen gesunden Geist entwickeln zu können, brauchen wir einen gesunden Körper, sonst sind wir allein im Körperbewusstsein gefangen und das lenkt uns von der Heilung und Kultivierung des Geistes ab. Der Weg geht über die Stabilität des Körpers, vertieft sich zu emotionaler Stabilität, führt zu intellektueller Klarheit, zu Weisheit und schließlich zur Enthüllung der Seele. Aber nur wenige Menschen kommen zum Yoga mit dem Gedanken, spirituelle Erleuchtung zu erlangen. Die meisten Menschen sind praktisch veranlagt, kommen vor allem auf Grund von Stress, körperlichen Leiden, Bewegungsmangel, Verspannungen, Migräne, mit praktischen Problemen und Zielvorstellungen. Das ist gar nicht schlecht, weil es sich dabei meist um vernünftige Menschen handelt, die gut geerdet sind und die etwas Neues ausprobieren möchten und sich im Unterricht dann einfach überraschen lassen, was man im Yoga so macht. Das ist vollkommen in Ordnung und eine gute Grundlage, um mit Menschen zu arbeiten. Was sich daraus entwickelt, zeigt sich dann, wenn deren Erwartungen erfüllt oder gar übertroffen werden. Der physische Körper existiert nicht getrennt von Seele und Geist. Yoga bringt schon vom ersten Tag an Erfahrungen und Nutzen, die auch Anfänger spüren können und zeigt, dass in und mit ihrem Körper etwas passiert. Der Beginn einer Reise nach innen, die Wissen und Weisheit mit sich bringt, in Verbindung mit Wahrheit und Gewaltlosigkeit.

Wer zur Freiheit gelangen will, muss Schmerzen ertragen. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Schmerz verlangt Disziplin. Schmerz ist der Lehrer. Entweder man lebt mit ihm und erkennt ihn an oder arbeitet mit ihm, um ihn los zu werden. Das überschreitet Grenzen innerhalb unserer Vernunft. Dazu ist Willensstärke notwendig, die groß genug ist, um den Schmerz auszuhalten, zu beobachten, damit zu arbeiten, zu lernen und weiterzuentwickeln, aber auch sich anleiten und führen zu lassen. Indem wir damit umgehen, schaffen wir ein Bewusstsein für Toleranz, Geduld, Widerstandsfähigkeit, Mitgefühl und Verständnis, auch für andere. Nichts tun ist auch eine Möglichkeit, die Konsequenzen nach sich zieht und darum kein Weg ist, um Schmerz und Leid zu vermeiden.

Yoga-Praxis führt zur Beendigung des Handelns, das Leiden und Kummer verursacht, weil sich mit Yoga das Chaos der widerstreitenden Gedanken beruhigen lässt. Wenn die Handlungen, die Leiden und Kummer bringen, aufhören, dann entsteht immenser Frieden, immense Ruhe, immense Gelassenheit. Das ist der entscheidende Schritt in der spirituellen Praxis des Yoga. Das heißt, man hat auf dem Weg vom physischen Körper zum mentalen Körper die Hindernisse überwunden. Vom mentalen Körper aus nähert man sich den spirituellen Praktiken. So beginnt Yoga mit körperlichen Praktiken und endet mit der spirituellen Praxis. Ziel ist nicht die Welt für Wissbegierige zu erklären, Ziel und Höhepunkt ist die Erlösung von Leiden und der Anblick der Seele, hat jedoch auf dem Weg dorthin eine Menge wohltätiger Nebenwirkungen, darunter das Erkennen und Verändern der Samskaras, Gesundheit, Glück, Frieden, Ausgeglichenheit, um damit wiederum Leiden zu vermeiden. Yoga ist für jeden geeignet, wichtig ist immer die eigene Achtsamkeit ins Üben mit einzubringen. Unsere Gesundheit und unser Überleben hängen ab von Kreislauf und Atemsystem. Yoga wirkt langsam, aber sicher, während moderne Medizin schnell ist, aber nicht unbedingt sicher! Nur die Natur heilt Krankheiten, nicht die Medikamente. Patanjali sagt: die Vitamine, die wir im Yoga bewahren müssen, sind Vertrauen, Mut, Kühnheit, Versenkung und ein riesiges Gedächtnis, um genau und mit ununterbrochener Bewusstheit zu begreifen, was in uns geschieht und geschehen ist. Hat man diese fünf Vitamine nicht, so macht man kein Yoga sondern bhoga [im Sinne von: Befriedigung sinnlicher Freuden].

Weg und Ziel

12 Sep 2013

Yoga ist Dehnung. Dehnen über die physischen Grenzen hinaus erzeugt Energie und Freiheit. Freiheit ermöglicht Entspannung. Ist Entspannung im Asana, gibt es keinen Erschöpfungszustand und unsere Selbstheilungskräfte beginnen sich von selbst zu entfalten. Das Ausrichten des Körpers sollte im Einklang mit dem Ausrichten des Geistes erfolgen. Diese richtige Ausrichtung entspricht dem Bild einer Urform und wir sehen, dass sich die Anordnung weder im Zusammenhang mit der Zeit verändert, noch im Raum begrenzt ist. Das bedeutet aber, dass unser Handeln in Zeit und Raum stattfindet, aber das, was auf dem weiteren Weg passiert etwas ist, was wir so nicht kennen.

Sehr schnell wird Yoga immer wieder mit Erleuchtung in Verbindung gebracht. Das kann ein weiter Weg sein und ob dieses Ziel je erreicht wird, ist nicht sicher. Dennoch sind die Wirkungen von Pranayama und Asana nicht zu unterschätzen, auch wenn sie noch so einfach erscheinen. Die richtige Ausrichtung schafft den richtigen Raum, lässt Yogasana mühelos erscheinen und zeigt uns die natürliche Schönheit. Yoga hilft mehr und mehr, die Gedanken zur Ruhe zu bringen, Körper und Geist zu einen, hat eine heilende Wirkung auf Körper und Geist und verleiht ein tiefes Gefühl des Wohlbefindens. Ziel ist die Einfachheit und die Stille der Gedanken wieder herzustellen, mit Hilfe von Asana, Pranayama und Konzentration.

Das Wissen um die gesundheitlichen Wirkungen ist natürlich schön und erstaunlich faszinierend, diese zu erspüren, aber am erfüllendsten ist doch das absichtslose Tun und sich führen lassen, im Gegensatz und ein Einklang von Bewegung und Ruhe. Ziel des Yoga kann letztendlich die absolute Freiheit sein, aber davor machen wir in winzigen Schritten die Erfahrung einer zunehmend größeren Freiheit, indem wir zu immer mehr Selbstbeherrschung, Sensibilität und Gewahrsein gelangen. Noch wichtiger ist, einfach ein guter Mensch zu sein, mit Vertrauen, eigenständigem Denken und Handeln, Freude am Glück anderer, Gelassenheit bei eigenem Pech und Unglück, Menschlichkeit, Güte und Wohlwollen, aber auch Dinge mal unkommentiert wahrnehmen, tief durchatmen und unbenannt einfach so stehen lassen.

Im Yoga werden zum Beispiel Gier, Gewalttätigkeit, Faulheit, Exzess, Stolz und Angst als etwas betrachtet, das gelöst werden soll. Leiden, Schmerz, Ärger, Kummer, Angst können unsere Lehrer sein, damit wir lernen, mit diesen Energien umzugehen und wir es schaffen, sie umzuwandeln, anstatt vor ihnen davonzulaufen oder dagegen anzukämpfen. Wir sollten immer, gerade auch bei starken Emotionen, zu unserem Atem zurückkehren, um diese umzuwandeln und daraus Energien der Achtsamkeit zu erzeugen. Atem schult die Achtsamkeit. Achtsamkeit schult das Bewusstsein, zum Beispiel in dem man bei Schmerz den Einatem bewusst an die schmerzende Stelle lenkt und sich anschließend beim Ausatem vom Schmerz löst – los lässt, den Schmerz, die verkrampfte Muskulatur, als auch die Gedanken daran – wieder und immer wieder, nicht unterdrücken, sondern loslassen.

Schmerzen sind Blockaden die unserem Körper schaden zufügen. Aber wir sind in der Lage, aus Leiden Mitgefühl und Verstehen entstehen zu lassen. Das wird umso wichtiger, je mehr wir unter Druck stehen. Achtsamkeit und Konzentration bringen Einsicht hervor. Ohne Einsicht können wir nicht loslassen. Einsicht und Weisheit entstehen nicht aus Wissen, sondern durch Praktizieren. Ziel ist das eine Asana. Einfach sitzen, nicht “nichts tun“, sondern “Nicht–Tun“, und das Sitzen absichtslos genießen. Wahre Präsenz verwirklichen. Lernen, die Anspannungen im Körper abzubauen. Uns erlauben, immer wieder inne zu halten. Die Anspannungen mit der Einatmung in Gesicht, Schultern, Nacken immer wieder bewusst wahrnehmen und mit der Ausatmung loslassen.

Mit liebevollen Gedanken können wir positive Kräfte und Energien entwickeln, die heilende Wirkung auf unsern Körper und direkten Einfluss auf unsere Umwelt haben, da die Auswirkungen nach außen hin spürbar werden. Frieden beginnt, indem wir uns gut um unseren eigenen Körper und Geist kümmern.

Das wahre Tor der Befreiung liegt in der Absichtslosigkeit. Weder in der Zukunft noch in der Vergangenheit, sondern im gegenwärtigen Moment. Im Hier und Jetzt, in diesem einen Atemzug. Atmen und lächeln. Dieser bewusste, achtsame Atem bringt unseren Geist zurück in unseren Körper. Der physische Körper existiert nicht ohne Geist und Seele.

Achtsames Atmen hilft, zu uns zurückzukehren und den Strom der Gedanken zu unterbrechen. Wer es schafft, Samskaras und Klesas zu beseitigen und auf den Gewinn der inneren angesammelten Reichtümer verzichtet, ist auf dem direkten Weg zur Versenkung. Die Wirkungen der leidvollen Spannungen und Handlungen hören auf. Die Seele ruht in ihrer wahren Natur, in reinem Bewusstsein. Das ist die totale Befreiung, es gibt nur noch eine Bewusstheit, [Sat-Cit-Ananda] reines Sein, reines Wissen, reine Glückseligkeit.

Wenn wir uns von dem Wunsch lösen, dass in diesem Augenblick etwas anderes geschehen möge, als tatsächlich geschieht, machen wir einen grundlegenden Schritt in Richtung dessen, was Hier und Jetzt ist. Wenn wir in der Meditations-Praxis irgendwohin gelangen wollen, sollten wir aufhören, irgendwohin gelangen zu wollen. Der Augenblick ist der einzige, womit wir arbeiten können. Meditation kann nicht erzwungen werden. Meditation kann nicht erlernt werden, wir können uns lediglich gut darauf vorbereiten.

Geduld ist eine grundlegende ethische Einstellung. Wenn du Geduld entwickelst, entsteht fast zwangsläufig Achtsamkeit. Wenn du in diesem Augenblick, nicht versuchst irgendwo anders zu sein, entwickelt sich Geduld von selbst. Zu gegebener Zeit entfalten sich Dinge von selbst, ohne dass es eines besonderen Anstoßes bedarf. “Man kann Jahreszeiten nicht zur Eile antreiben. Der Frühling kommt, das Gras wächst von alleine. Es bringt nichts wenn wir am Gras ziehen, darum wächst es nicht schneller. Eile führt gewöhnlich zu nichts und kann viel Leid verursachen.“ Hab Geduld zu warten bis der Schlamm sich gesetzt hat und das Wasser klar ist. Wenn du weißt, wie du deinen Sitz genießen kannst, sitze da, tue gar nichts, sei im gegenwärtigen Augenblick präsent und genieße es. Verweile unbewegt, bis die rechte Handlung von selbst auftaucht. Beobachte deinen Atem und deine Aufrichtung. Verweile im Hier und Jetzt, in diesem einen Atemzug – wieder, wieder und immer wieder.