Wir hängen Menschen an Schläuche, setzen ihnen künstliche Gelenke ein, erweitern ihre Gefäße und halten ihre Körperfunktionen künstlich am Leben, während die Seele vielleicht schon auf einem ganz anderen Weg ist. Doch in unserer Welt zählt nur das Sichtbare und gesund ist, was funktioniert.
Wir durchleuchten unseren Körper, aber nicht den Sinn des Lebens. Wir dürfen Menschen nicht sterben lassen, aber wir dürfen sie am Leben halten. Dürfen wir dann nicht doch über ihren Tod richten, indem wir über ihr Leben richten?
Wir schauen den ganzen Tag in Displays und immer weniger in Gesichter. Wir haben die beste Unterhaltung, aber führen seltener Gespräche - dafür haben wir keine Zeit, obwohl alles immer schneller geht.
Wir beschleunigen, aber schreiten rückwärts.
Wir haben es leichter, aber werden schwerer.
Wir sind überernährt, aber unterversorgt.
Wir haben es bequemer, aber werden krank.
Wir haben Wohlstand, aber leiden an Wohlstandskrankheiten.
Wir haben die beste Medizin, aber die meisten Kranken.
Wir sind das Werkzeug unseres eigenen Erfindungsgeistes geworden - die Welt wird immer komplexer, obwohl das Leben einfacher werden sollte. Das ist der Widerspruch, dem niemand widerspricht.
Weil wir günstiges Fleisch wollen, produzieren wir Tiere wie Materie und bauen Futterpflanzen an, obwohl Menschen hungern.
Wir sind uns selbst am Nächsten und doch oft meilenweit entfernt. Wir sind zu beschäftigt und ständig unterwegs. Wir können zu jeder Zeit an jedem Ort sein, sind aber nur noch selten in der Gegenwart. Die Welt wird immer kleiner, wir können sie sogar nach Hause holen. Alles ist möglich - wir sind frei! Doch die Freiheit macht uns zu ihren Gefangenen. Wenn alles möglich ist, hat man tausend Möglichkeiten und immer zu wenig Zeit. Wir sind die Sklaven unserer Zeit: Von unseren Familien getrennt und mit der Arbeit verheiratet, weil das moderne Leben flexible Menschen verlangt.
Unsere Bestimmung wird von der Gesellschaft bestimmt - wir sind nicht mehr für etwas berufen, wir erlernen einen Beruf. Wir werden älter, aber dürfen kaum noch Kind sein. Wir lernen immer früher zu denken, aber können nicht mehr nicht denken. Unser Kopf analysiert und denkt, bis er ausgebrannt ist, weil der Motor keine Energie mehr hat. Wo tanken wir auf?
Wir zerlegen die Welt unter dem Mikroskop und verlernen das Staunen. Nicht alles ist mit Kopf begreifbar, aber das begreift der Fortschritt nicht. Wir haben die ganze Welt analysiert, uns sogar eine Parallelwelt erschaffen, doch offline sind wir orientierungslos geworden. Wir fühlen uns allmächtig - dabei verlieren wir die Kontrolle. Nur wenige glauben an Gott, die meisten glauben an sich selbst. Doch wenn wir uns selbst nicht kennen, an wen glauben wir dann?
Wir ergötzen uns an der Materie und am Fortschritt, die uns die Freiheit bringen, die uns krank macht. Aber dafür gibt es die weißen Pillen ... Wir wollen besitzen, aber werden von allem besessen. Wir verwurzeln uns in der Erde, aber zerstören sie. Doch wir haben für alles eine Lösung. Vor allem für die Probleme, die wir ohne Fortschritt nicht hätten. Nur die Bedienungsanleitung für das eigene Leben haben wir irgendwo im Überfluss verloren.
Wir wollen immer mehr und übersehen was wir haben. Wir suchen das Glück um uns herum und spüren nicht, dass wir es in uns tragen. Wir sind die Unterzahl, aber verbrauchen die meisten Ressourcen. Wir müssen nicht mehr frieren - wir haben sogar die Heizung in der Welt angemacht. Wir haben die fortschrittlichsten Maschinen, aber die eigenen Hände vergessen. Wir konsumieren Produkte aus anderen Kontinenten, aber können keinen eigenen Garten bestellen - nicht einmal online. Wir sind frei, aber abhängiger als je zuvor. Und obwohl wir wählen dürfen, beklagen wir, keine Wahl zu haben.
Wir - ist der westliche Lebensstil.
Wir - ist der hohe Lebensstandard.
Wir - ist das Vorbild für viele Menschen auf der ganzen Welt, die bisher in ihren einzigartigen Kulturen zu Hause waren. Allmählich verschwinden sie in einer seichten Monotonie.
Es ist nicht alles schlecht, aber Vieles könnte besser sein, wenn wir weniger komplex und wieder mehr einfach sein würden. In dem ständigen Streben nach schneller, weiter, höher sehne ich mich nach einer Umkehr: Zurück zu den Wurzeln und mit den Händen mal wieder die Erde berühren!