Yogablog

Atem ist Leben

1 Apr 2021

Spiritus [lat.: Hauch, Atem, Lebensgeist]

Medizinisch: Inspiration [lat.: Einhauchung]

Einatmen, Inspiration, bedeutet wesentlich mehr als einfach nur Luft einsaugen. Ausatmend stoßen wir nicht einfach nur Luft aus, wir entspannen, lassen los, am Ende auch das Leben selbst.

Unser Leben beginnt mit einem Einatem und endet mit einem Ausatem. Ohne Flüssigkeit überleben wir etwa vier Tage, ohne feste Nahrung etwa vier Wochen, aber ohne zu atmen nur zwei bis drei Minuten.

Der Atem ist mit sämtlichen Körpersystemen verknüpft. – Deshalb ist es wichtig, dass unsere Atmung und alle damit verbundenen Strukturen und Funktionen so gut wie irgend möglich arbeiten sollten.

Der Gasaustausch, die Aufnahme von Sauerstoff und die Ausscheidung von Kohlendioxid, findet in den Lungen statt.

Der Einatem ist aktiv. Durch Anheben der seitlichen Rippen und verstärktes Bewegen des Zwerchfells kann die normale Atmung vertieft und verfeinert werden. Dieses langsamere und tiefere, feine bewusste Atmen unterscheidet sich deutlich von einem angestrengten, forcierten Atmen.

Körperübungen und gute Körperhaltung sind von großer Bedeutung für die Atmung und diese wiederum für die Produktion der roten Blutkörperchen.

Die sauerstoffarme, kohlendioxidreiche, verbrauchte Luft wird mit dem Ausatem ausgeschieden. Je tiefer wir ausatmen, um so größer ist die Kapazität für das Einatmen, neuer, frischer Luft. Einatmend gelangt frischer Sauerstoff über die Lungen in den Blutkreislauf und wird durch die roten Blutzellen in alle Gewebe und Organe des Körpers transportiert.

Eine langsame, vertiefte, ruhige, feine, mühelose Ausatmung ist eine kontrolliert passive Bewegung, bei der sich die Atemmuskeln entspannen, die den Geist beruhigt und die bereits schon wieder, in aller Ruhe, auf den nachfolgenden Einatem vorbereitet und diesen feiner werden lässt.

Sämtliche Körpersysteme stehen mit dem Atemsystem in einer Wechselbeziehung. Deshalb beeinflussen alle Funktionen und Bewegungen des Körpers die Atmung und umgekehrt.

Stell dir dein sanftes Atmen wie das konstante Kommen und Gehen der Wellen am Strand vor. Die Wellen kommen einatmend. Die Wellen gehen ausatmend. Die Welle rollt mühelos am Ufer aus, flacht ab, das Fließen der Welle erschöpft sich bis zum Stillstand. Und dann die Umkehr, das sanfte Abfließen der feinen Rinnsale und Wassertropfen zurück ins Meer. Ein immer wiederkehrendes Kommen und Gehen. Das Meer in seiner Unermesslichkeit, bleibt unberührt vom Pulsieren seiner Wellen. Im Gegensatz zu uns.

Lass diese Schlichtheit, diesen Moment solch einer Ruhe, in der Beobachtung deiner Atembewegung, durch nichts stören.

Das Prinzip der Achtsamkeit

1 Mär 2021

Mindful – Gedankenvoll oder Achtsam

Mindless – Gedankenlos oder Unachtsam

Gedankenlosigkeit ist allgegenwärtig. Bei genauem Betrachten ist, noch Jahrzehnte nach der kognitiven Revolution, klar erkennbar, dass praktisch alle unsere persönlichen, zwischenmenschlichen, beruflichen und gesellschaftlichen Probleme, direkt oder indirekt durch Gedankenlosigkeit entstehen.

Ängstlichkeit schafft Stress, und Stress ist belastend. Das aber ist nicht achtsam. Je achtsamer wir sind, desto eher können wir unsere Tätigkeiten, entsprechend unseren Fähigkeiten und Umständen umgestalten und ausführen.

Ein Geist, der sich seiner selbst bewusst ist, der beobachtet und erforscht die eigenen Emotionen, Stimmungen und Gedanken. Man kann sich zum Beispiel über jemanden oder etwas ärgern, das jedoch gleichzeitig reflektieren, dessen Gewahr werden und feststellen, dass man ärgerlich ist. Durch eine derartige reflexive Selbstwahrnehmung wird der Geist sich seiner Emotionen bewusst und eine gewisse Beherrschung der Emotionen wird möglich.

Achtsamkeitspraxis ist ein zentraler Bestandteil der buddhistischen Tradition. In der Yoga-Tradition wird Achtsamkeit nicht nur auf Körperübungen und Atmung angewandt, sondern auf fast alle Aspekte des Lebens. Werden anstatt des einfachen Tuns, Achtsamkeit, Sensibilität und Wahrnehmung mehr betont, wird die Effizienz und Wirkung des Übens erheblich verbessert.

Achtsamkeit ist eine Grundlage, um alle Ziele besser zu erreichen, aber auch, um die Qualität der Ausführung zu verbessern und die Bewegungsgrenzen zu erweitern. Es lohnt sich daran zu arbeiten.

Der enge Zusammenhang zwischen Atem und Geist

1 Feb 2021

Atem, Geist und Sinne stehen in einem engen Zusammenhang. Wer prāṇāyāma und pratyahara praktiziert beruhigt die Sinne und den umherschweifenden Geist. Das Loslassen, das Nicht-Anhaften, das Nicht-Bewerten der Bilder und Gedanken, sowie die Kontrolle des Atems sind elementare Voraussetzungen für geistige Ruhe und Frieden.

Die Sinnesorgane ziehen sich von allen Objekten zurück, die sie ablenken und begierig nach immer neuen machen. Sinne und Geist werden frei und entspannt.

Das Gewahrsein des Atems führt zu einer Ruhe, Stille und Klarheit des Geistes und zu einer vollständig auf den gegenwärtigen Augenblick gerichtete Aufmerksamkeit. Ruhiges, beständiges Ein- und Ausatmen macht »das Bewusstsein so ruhig, wie einen still ruhenden See. Ein tiefes Wasser, das von keinen Wellen gestört wird, in dem sich alles klar und ruhig widerspiegelt.« 

Atem, Geist und Sinne stehen in einem engen Zusammenhang, wobei »der Atem der Meister des Geistes und der Geist, der Meister der Sinne sei.«

Zweck der Übung besteht darin, sich von geistigen Anhaftungen zu befreien. Um dies zu erreichen, rückt die Atmung in das Zentrum der Meditation. Durch die Konzentration auf den Atem können Anfänger lernen, diese Fixierungen zu lockern, um sich auf eine offenere Haltung zuzubewegen. Gehirn und Denken sollten wachsam bleiben, damit Körperhaltung und Atemfluss ständig neu korrigiert werden können. Wesentlich ist völlige Offenheit von Denken und Intellekt.

Die Blütenblätter des Yoga – oder der Achtgliedrige Yoga-Pfad des Patañjali

1 Jan 2020

yama, ethische und soziale Regeln: niemandem Schaden zufügen, ehrlich sein, nicht stehlen, eigene Wünsche und Begierden in Zaum halten, frei von Neid und frei vom Festhalten an Vergänglichem.

niyama, 5 Aspekte der Selbstreinigung: Reinlichkeit, Zufriedenheit, Eifer in Studium und Praxis, persönliches Eintauchen in die Tiefgründigkeit der Yogaschriften und Hingabe an den göttlichen Ursprung.

āsana ist eine feste ruhige Sitzhaltung, in der man nicht abgelenkt ist. Körper, Geist und Seele sind an dieser Haltung beteiligt.

prāṇāyāma, den Atem ausweiten, um die Lebensenergie zu kontrollieren. Einatmung und Ausatmung behutsam verlängern und verfeinern. In den Atempausen, vor allem nach der Ausatmung, ist innere Ruhe erfahrbar.

Werden diese vier Aspekte praktiziert, ist das Ergebnis pratyaharapratyahara ist ein beruhigen der Sinne und ein beruhigen des umherschweifenden Geistes. pratyahara bereitet wiederum auf die drei letzten Aspekte vor.

dhāraṇā: Sinne werden nicht mehr abgelenkt. Konzentration, die frei von Körperspannung ist.

Daraus entwickelt sich dhyāna, die Meditation. Zu einem entspannten Zustand des Körpers kommt emotionale Ruhe, während der Geist vollständig wach und bewusst bleibt.

Der letzte höchste Aspekt dieses Wegs ist samādhi: »Die Ströme von Intellekt und Bewusstsein fließen zusammen und verschmelzen im Ozean der Seele«. Die Rückkehr zum Ursprung des Seins. Die höchste Stufe wird erreicht, wenn die fünf Sinne der Wahrnehmung, die Gedanken und der Geist ruhig sind. Die Sinne auf diese Weise zu beherrschen und frei von Ablenkungen zu sein, ist Yoga.

abhyāsa und vairāgya sind, nach Patañjali, die beiden Hauptpfeiler des Yoga-Wegs. abhyāsa bedeutet lernen durch disziplinierte, hingebungsvolle Praxis. vairāgya bedeutet, alles zu meiden, was vom Weg des Lernens ablenkt; Nicht-Anhaften; Loslassen. Das zentrale Konzept ist: die Bewegungen des Bewusstseins zur Ruhe kommen lassen. »yogas citta–vrtti–nirodhah« [allmählich ruhig und frei von Ablenkungen werden]

Grundlage bilden: Achtsamkeit, Präzision, Feinabstimmung und ökonomisches Üben.

Wichtigstes Prinzip ist: das achtsame, von Bewusstheit, Gewahrsein und Sensibilität geprägte Üben.

Yoga ist mehr als nur körperliche Gelenkigkeit. Yoga kann von jedem demütig und ohne Erwartungen geübt werden, denn die höchste spirituelle Erfahrung bleibt ein Geschenk. Das wahre Tor der Befreiung liegt in der Absichtslosigkeit. Die höchste Form der Askese ist Geduld. Aber Vorsicht: wenn wir uns im Streben nach Stärke überlegen vorkommen oder meinen, über anderen zu stehen, dann können wir sicher sein, dass gerade etwas schief läuft. Es sind Hingabe und Demut, die uns zur Bescheidenheit zurückbringen.

Glück

1 Dez 2020

Seit zweieinhalb Jahrtausenden beschäftigen sich Buddhisten mit dem Wesen und den Ursachen des menschlichen Glücks. Glück hängt weder von einer subjektiven Empfindung noch von einem Lebenssinn ab. Glück bedeutet, keinen subjektiven Empfindungen und keinen Illusionen mehr nachzujagen. Die meisten Menschen verwechseln Glück mit angenehmen Empfindungen und Leid mit unangenehmen Empfindungen. Daher auch die Sehnsucht nach angenehmen Gefühlen und unangenehme Gefühle möglichst vermeiden. Doch darin irren wir gründlich. Unsere subjektiven Empfindungen haben kein Wesen und keine Bedeutung. Immer wenn wir ein unangenehmes Gefühl haben, leiden wir. Und selbst wenn wir ein angenehmes Gefühl haben, sind wir unzufrieden, weil wir wollen, dass das angenehme Gefühl stärker wird, oder weil wir Angst haben, dass es vergehen könnte. Die Jagd nach subjektiven Emfindungen ist so ermüdend wie sinnlos.

Glück hängt nicht von äußeren Umständen ab. Wahres Glück hat auch nichts mit unseren subjektiven Gefühlen zu tun. Es kommt nicht darauf an, dass unsere Erwartungen erfüllt werden und wir uns in wohligen Gefühlen räkeln, sondern vielmehr, dass wir uns selbst so sehen, wir wir sind.

Die Ursache des Leids ist nicht die subjektive Empfindung von Schmerz, Trauer oder Sinnlosigkeit. Die Ursache des Leids ist genau diese Jagd nach beliebigen subjektiven Empfindungen, denn sie versetzt uns in einen dauernden Zustand der Anspannung, Verwirrung und Unzufriedenheit.

Daher können wir das Leid nur überwinden, wenn wir die Jagd nach diesen subjektiven Empfingungen beenden. Dann verursacht Schmerz kein Leid mehr, und Freude stört unseren inneren Frieden nicht. Unser Geist ist ruhig, klar und zufrieden. Der daraus resultierende Gleichmut ist so profund, dass die Menschen, die ihr Leben lang wie besessen hinter angenehmen Empfindungen herlaufen, nicht einmal eine annähernde Vorstellung davon bekommen können. Glück ist nicht von äußeren Umständen abhängig. Buddha empfahl uns nicht nur, das Streben nach äußeren Errungenschaften aufzugeben, sondern vor allem die Jagd nach Gefühlen.