Yogablog

Kiefergelenke, Nacken, Schultern, Rücken, Atem und wie das alles zusammenhängt

1 Jan 2024

Nacken, Schultern und Rücken sind Spiegel dafür, wie wir mit den Anforderungen des Lebens umgehen. Ein spielerischer Umgang ist immer ein Zeichen für Lebendigkeit und Kraft aus der eigenen Körpermitte. Begegnen wir Menschen mit aufgerichtetem Rückgrat, offenem Brustkorb und freien Schultern, fühlen auch wir uns frei und so angenommen, wie wir sind.

Denken wir an die Würde und Anmut der Inderinnen und Afrikanerinnen, wie sie ganz in ihrer Mitte, spielerisch ihre Wasserkrüge auf dem Kopf balancieren, kann man deutlich die Zusammengehörigkeit der Halswirbelsäule (HWS) und der Lendenwirbelsäule (LWS) spüren. Man fühlt die Kraft aus der Mitte, die einen tiefen und entspannten Atem voraussetzt.

Der Rücken des Menschen spiegelt akut und chronisch die Einseitigkeit unserer sitzenden Lebensweise und deren Folgen. In den westlichen Kulturkreisen sind Rückenbeschwerden ein sehr häufiges Gesundheitsproblem, das bei Millionen von Menschen für Schmerzen verantwortlich ist und hohe Kosten im Gesundheitswesen verursacht.

Schulterprobleme und Nackenverspannungen der HWS können nicht isoliert betrachtet werden, sondern immer im Zusammenspiel mit der LWS und einem tiefen Atem. Durch Fehlhaltungen können sich diese in der LWS ausdrücken und umgekehrt.

Fehlhaltungen durch Körperbewusstsein abbauen, wenn zum Beispiel Kopf und Nacken in Schräglage der restlichen Wirbelsäule vorauseilen, als wollten sie sich selbst überholen. Oder die Schultern angstvoll nach oben gezogen, der Kopf sitzt direkt auf den Schultern auf, der Nacken scheint verschwunden – oder sehr häufig: Kinn nach oben gezogen, der Nacken verkürzt.

Den Nacken gestreckt, wie der eines Toreros, zeugt von Kraft und Durchsetzungsvermögen. Der Nacken trägt den Kopf, verbindet ihn mit dem Körper und reagiert sofort, wenn wir aus dem Gleichgewicht geraten. Die Schultern regulieren zwischen »Tun und Lassen«. Aber es gibt keine Freiheit ohne Elastizität in den Schultern. Jede/r ist so frei, wie er/sie die Schultern trägt.

Die meisten Verspannungen des Rückens sitzen zwischen den Schulterblättern. Das Gewicht der Schultern belastet das Herz. Wenn die Schultern frei werden, wird das Herz frei. Schulterarbeit ist Herzarbeit und ermöglicht eine bessere Herzdurchblutung. Die körperliche und geistige Entmündigung geht über die Schultern.

Hält man die Schultern fest, wenn man dabei ein Ziel anstrebt, hat man keine freien Gedanken. Die Schultern sind oft durch Pflichtgefühl und Verantwortung erstarrt. Hochgezogene, nach vorne geneigte Schultern sind meist ein Zeichen von Ablehnung und eine Schutzhaltung bei Angst. Hängende oder vorgesunkene Schultern, gebeugter Rücken und nach unten geneigter Kopf deuten oft auf einen Energiemangel hin und zeigen Kraftlosigkeit, Hilflosigkeit, Verzerrung – ein Ausdruck der Hoffnungslosigkeit – einer Körpersprache, die starke negative Signale vermittelt, begleitet von Depression und einer Kombination aus Inaktivität und zu einem Gefühl der Niederlage führt – dem Gefühl aufzugeben. In einem Teufelskreis schwächt die Muskelkraft die Immunfunktion und vermindert die Widerstandskraft gegen Infektionen.

Mit Nackenproblemen sind immer Unterkieferverspannungen verbunden. Das kann bis zur Arthrose im Kiefergelenk führen. Lasse den Unterkiefer mehrmals täglich entspannt – und so groß wie möglich in beide Richtungen kreisen. Achte dabei auf eine »runde« Bewegung. Massiere mit einem leichten Fingerdruck deine Kiefergelenke.

Der erste Halswirbel, auf dem der Kopf ruht, heißt Atlas. Der ist ringförmig und ermöglicht Nickbewegungen. Der zweite Wirbelkörper heißt Axis. Der hat einen Stachel, der in den ersten Wirbel hineinragt und Drehbewegungen ermöglicht. Du solltest Kopf und Atlas mit dem gesamten Nacken, ohne den Ausdruck von Widerwillen, spielerisch und mit Leichtigkeit sanft schwingen lassen.

Du kannst deine Schultern noch so häufig heben, senken und kreisen – wenn diese Bewegung dabei nicht ganzheitlich mit dem Atem aus der Körpermitte verbunden ist, wirst du keinen echten Fortschritt erzielen. Zwar ist das Training und die Kräftigung der Muskulatur von äußerster Wichtigkeit, doch muss der Schulter- und Nackenbereich mit Energie und Atem aus der Körpermitte gesteuert und genährt werden.

Nur die Wärme und die Kraft aus dem Unterbauch ermöglicht ein freies Schwingen des Nackens und der Schultern. Es ist wichtig, dass du dich vor jeder Übung in eine gelösten körperlichen und geistigen Zustand bringst.

Im Yoga wurzeln Ruhe, Gelassenheit und Vorstellungskraft. Aus dem Yoga entspringen: Konzentration, Achtsamkeit, Wahrnehmung und Gleichgewicht, sowie die Grenzerfahrung der Dehnbarkeit.

Pranayama vermittelt ein zentriertes Gefühl und bildet die Basis jeglicher Energiearbeit.

Verbindung zwischen Balance und Nacken

3 Dez 2023
Die Verbindung zwischen Balance und Nacken in Vrksasana (der Baumhaltung)
Die Verbindung zwischen Balance und Nacken in Vrksasana (der Baumhaltung)
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Die Schweizer Université Fribourg hat entdeckt, dass regelmäßige Gleichgewichtsübungen Nackenschmerzen reduzieren können. Durch Balancieren, auf einem Bein, werden die Halsmuskeln aktiviert, die mit den Muskelspindeln im Nacken und dem Gleichgewichtsorgan im Ohr verbunden sind, die wiederum die Verspannungen lösen können. Solange du in Balance bleibst entspannt das deinen Geist und deinen Nacken.

Vrksasana, die Baumhaltung, ist eine Gleichgewichtsübung, die Ruhe und Konzentration erfordert – und Ruhe und Konzentration zu entwickeln hilft. Regelmäßig praktiziert ist schon bald ein Fortschritt festzustellen.

Dieses Asana verdeutlicht den Zusammenhang zwischen innerem und äußerem Gleichgewicht. Zu viele Gedanken stören die Ruhe in der Haltung. Innere Ausgeglichenheit bereitet darauf vor die Balance mühelos zu halten.

Eine Variante ist mit geschlossenen Augen, für einen oder mehrere Atemzüge in Vrksasana, der Baumhaltug, gut aufgerichtet zu stehen und nach oben zu streben.

Wu Wei – Leben im Fluss des Tao

21 Aug 2023

Handeln durch Nichteingreifen/Nichthandeln – Geschehen lassen; – eine Dimension, die dem Denken nicht zugänglich ist.

Wu Wei erfordert unsere geistige Präsenz in der Gegenwart, damit Kräfte wirken von denen wir höchstenfalls zu träumen gewagt hätten.

Gedanken, Ideen, Ausblicke stehen immer mit der Vergangenheit in Verbindung. Denken führt immer weg von der Gegenwart in die Vergangenheit. Das Tao entsteht in der zeitlosen Dimension, dem hauchdünnen Raum, zwischen Vergangenheit und Zukunft. Konzentration und Denken sind materiell. Beobachten ist kein intellektueller Vorgang.

Aufmerksam, ungezwungen Beobachten, Wahrnehmen, ohne zu analysieren. Von allen Bindungen, Autoritäten lösen, intuitiv Handeln, das Leben dem Strom des Tao überlassen.

Der Schritt zur inneren Freiheit beginnt damit, dass wir unsere Bindungen ansehen, sie so lange beobachten, bis wir die in ihnen liegende Gefahr erkannt haben. Das genügt. Unter unserer Aufmerksamkeit, die nicht von Gedanken gestört werden sollte, verlieren diese Bindungen ihren Einfluss auf uns.

Wahrnehmung der Gegenwart, der ehrliche Wille, die Bereitschaft, der leidenschaftliche Wunsch, reicht vollkommen aus um frei zu werden.

Was das einfache Beobachten kompliziert macht ist, wie beim Fotografieren, anstatt hinzusehen, dass wir nicht die Wirklichkeit, sondern die Erinnerung daran, die Bilder aus der Vergangenheit, wahrnehmen.

Beobachten ohne denkende Analyse ist die Grundlage für Aufmerksamkeit.

Die Gegenwart ist ein Teil von uns. Die Gegenwart kann niemals vom Ich, vom Ego, von Gedanken erreicht werden, weil Gedanken immer Materie und somit Vergangenheit sind. Unser Ich ist ein Gebilde aus gesammelten Erfahrungen, Erinnerungen und Gedanken.

Durch Wahrnehmen, Beobachten, entsteht Aufmerksamkeit. Beobacht deine Gedanken und Ruhe im Geist kehrt ein. Loslassen der Gedanken, der Weg hin zur Meditation. Inhalt der Meditation ist die Stille. Nicht die Stille unterdrückter Sinnesreize oder Gedanken. Der Geist sollte frei sein von störenden Gedanken. Sei Beobachter deiner Gedanken, bevor diese auftauchen und du stellst fest, dass sich deine Gedanken beruhigen und schließlich vollständig aufhören. Durch beobachten und Aufmerksamkeit erreichst du die Freihheit den Abstand zu deinen Gedanken zu halten und den Verzicht dich mit deinen Gedanken abzugeben.

Falsche Wahrnehmung

26 Jun 2023

Vorurteile projizieren sich auch in die Zukunft, womit ich meine, dass sie uns dazu bringen, nur die Dinge zu sehen und somit auch zu erleben, die bestätigen, was wir bereits denken. Deshalb sage ich, dass sie als Filter agieren, der alles beseitigt, was unsere eingewurzelten Überzeugungen und Glaubensvorstellungen in Frage stellen. Wenn Sie glauben, dass man keinem Ausländer trauen kann, dann steht fest, dass Sie vielen begegnen werden, auf die das auch zutrifft, weil Sie andere gar nie zur Kenntnis nehmen werden.

Yoga bezeichnet das als eine falsche Wahrnehmung, die sehr viel gefährlicher und schwerer zu beseitigen ist als die einfache falsche Wahrnehmung, die Sie zum Beispiel die Nummer ihre Buses falsch entziffern lässt, weil Sie ihre Brille vergessen haben.

Was Hegel denkt, praktiziert der Zen

26 Dez 2022

aus dem X. Sesshin in Neresheim, mit Gudrun Keller und Karlheinz Bartel

Handeln durch Nichthandeln. Geschehen lassen. Mach dich frei, gewinn deine kindliche Unschuld in der Betrachtung und der Bewertung des Lebens zurück. Frei von Berechnung, absichtlichem Verhalten um eines Vorteils willen. Ohne Motiv leben. Frei von Sorgen und Gedanken.

Sitze, spüre den Atem; du wirst dies und das denken. Lass das alles geschehen und du wirst im Hier und Jetzt sein. Leben findet ausschließlich in der Gegenwart statt.

Nur weil das Sitzen nach absoluter Stille aussieht, geht es im Zen nicht einzig um das Schweigen, sondern um das Eins-Werden mit dem was ist. Ist das, was ist, das Denken, dann bedeutet eins zu werden mit dem, was ist, ganz eins zu werden mit dem Denken. Findet im Sitzen Nichtdenken statt, so geht es darum, mit dem Nichtdenken eins zu werden.

Zen wäre nicht Zen, gäbe es im Zen eine Abwertung des Denkens. Ob Denken oder Nichtdenken ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, zu beobachten, was ist und sein will, und das durch Bilder und eigene Gedanken nicht zu bewerten. Mit der Tätigkeit des Bewertens haften wir am eigenen Denken an. Die Gefahr dabei ist, im bewertenden Denken hängen zu bleiben. Damit wären wir aber nicht mehr unmittelbar bei der Wirklichkeit, sondern bei der Bewertung derselben, bei unseren Meinungen darüber, und das bedeutet: Wir verharren in der Entzweiung und wären nicht mehr mit der Aufhebung derselben beschäftigt. Während Hegel hört, was die Wirklichkeit über sich selber »sagt« leitet Zen dazu an, die Wirklichkeit zu realisieren. Wo Hegel noch im Denken, d.h. in der Erkenntnistheorie hängt, ist Zen immer schon Lebenspraxis.

Oftmals findet im Sitzen, gerade weil die Gelegenheit zur Rede nicht gegeben ist, ein eminent inneres Reden statt. Aus Sicht des Zen begegnet man dem inneren Reden mit Zulassen. Wir sind voll mit Bildern, Worten, Impressionen usw. Sind Teil der Wirklichkeit, die wir sind. Wenn ich nun sitze und sitze und sitze, kann es geschehen, dass ich immer weniger zu denken und zu sagen habe, entweder, weil alles gedacht und gesagt ist oder weil es mir zu dumm und zu langweilig wird, immerfort nur um ein und dasselbe zu kreisen. So werde ich still, werde ein Hörender, höre, ja lausche, was mir die Wirklichkeit sagen will. Nun ist sie es, die Gefühle in mir weckt, mir die Begriffe gibt. Und ich beginne auf neue Weise zu begreifen. Ich begreife, dass es Dinge gibt außerhalb meines Denkens, Dinge, die nicht so sind, wie ich sie mir denke und wie ich sie haben will, Dinge, die ein Eigenleben haben. Ich vernehme, werde aufmerksam. »Dieses ist das Licht das uns allen in die Kindheit scheint, in der wir schon immer sind in der Heimat der Identität, die in jedem mit Bewusstsein gelebten Augenblick neu Wirklichkeit wird.«

Sei einfach da. Nimm an, was ist. Lass zu, was du über deine Sinne aufnimmst, aber klammere dich nicht fest daran. Lass die Gedanken kommen und gehen. Atme ruhig ein und aus.

Yoga, Sitzen, Meditieren, das sind alles nur Werkzeuge, die uns gegeben sind, um uns gut vorzubereiten, um wach zu sein, da zu sein, präsent zu sein, bereit zu sein. Was sich daraus entwickelt oder was kommt wird sich zeigen. Wir können es nicht erzwingen. Wir können nur offen sein, um zu empfangen.