Yogablog

Leid

1 Okt 2020

Siddhartha erkannte, dass Menschen nicht nur leiden, wegen Katastrophen, Kriegen oder Epidemien, sondern dass Leid aus Ängsten, Enttäuschungen und Unzufriedenheit ein fester Bestandteil der menschlichen Existenz ist. Menschen jagen Geld und Macht hinterher, häufen Wissen und Reichtümer an. Aber was sie auch erreichen, sie werden nie zufrieden. Es ist nie genug. Wer arm ist will reich sein. Wer eine Million hat, träumt von zwei. Wer zwei Millionen hat, will zehn. Bis Krankheit, Alter und Tod ein Ende setzen und sich alles Angehäufte in Luft auflöst.

Was macht Leid aus? Wie kann man ihm entkommen? Ursache des Leids sind weder Schicksalsschläge noch soziale Ungerechtigkeit, sondern vielmehr die eigenen Denk- und Verhaltensmuster.

Jede Erfahrung erweckt Begehren. Begehren schürt Unzufriedenheit. Unangenehme Erfahrungen will jeder vermeiden oder wieder los werden. Angenehme Erfahrungen sollen nie enden. Daher ist unser Geist immer unzufrieden und rastlos, um vor Trauer und Leid zu fliehen oder immer größeren Freuden nachzujagen.

Ursache des Leids ist Begehren; wir können uns nur vom Leid befreien, wenn wir uns vom Begehren befreien; und wir können uns nur vom Begehren befreien, wenn wir lernen, die Wirklichkeit so zu sehen, wie sie ist.

Leid und Glück entspringen einem Naturgesetz, unabhängig von Göttern. Wenn wir uns vom Leid befreien, kann uns kein Gott mehr etwas anhaben. Wenn wir von unseren Begierden beherrscht werden, kann uns kein Gott der Welt vom Leid befreien.

Eine Erfahrung annehmen, wie sie ist, verursacht kein Leid. Ein Mensch der nicht begehrt kann nicht leiden. Wenn wir Trauer empfinden, ohne ein Ende dieses Zustands herbeizusehnen, dann können wir diese Trauer spüren, ohne unter ihr zu leiden. Wenn wir Freude empfinden, ohne uns nach immer mehr und immer intensiverer Freude zu sehnen, können wir diese Freude erleben, ohne dabei unseren inneren Frieden zu verlieren.

Konzentrieren wir uns auf eine einzige Frage: »Was spüre ich in diesem Moment wirklich?«, anstatt wieder einer anderen Frage hinterher zu jagen: »Was würde ich in diesem Moment lieber spüren?«, können wir einen inneren Zustand erreichen, indem wir Dinge so akzeptieren, wie sie sind. Dazu kommen ethische Verhaltensregeln: nicht töten, nicht stehlen, sexuelle Ausschweifungen vermeiden, da diese Handlungen die Begierden nach Macht, Reichtum und Lust anfachen. Bei einiger Überlegung verstehen wir, dass nicht die Befriedigung eines Begehrens, das Glück in sich trägt, sondern das Freisein von ihm. An die Stelle des Begehrens tritt ein Zustand völliger Ruhe und Gelassenheit. Wer das Leid hinter sich lässt, erkennt die Wirklichkeit mit äußerster Klarheit, ohne jedes Wunschdenken. Auch wenn unangenehme Erfahrungen gemacht werden, verursachen diese kein Leid mehr.

Die Leichtigkeit des Seins

13 Sep 2020

Setz dich hin.

Richte dich auf.

Lausche deinem Atem.

Lass los.

Werde leer.

Lausche in die Stille.

Auf die Frage: »Und ist es nicht mehr?«, die Antwort: »Es ist nicht weniger.«

Bilder, Gedanken, Gefühle, lass sie zu, aber halte sie nicht fest. Lass sie ziehen oder stehen. Bewerte sie nicht. Regelmäßiges Üben hilft. Dass wir um den Weg wissen, ist zu wenig. Wir müssen ihn gehen. Nicht: »Dort ist dein Pfad, den du gehen sollst«, sondern: »Dort, wo du gehst, ist dein Pfad«, muss es heißen.

Aufmerksamkeit, Achtsamkeit, Bewusstsein, Offenheit, offene Weite, Lebendigkeit weisen darauf hin, immer, zu jeder Zeit, an jedem Ort, mit großer Sorgfalt und achtsam zu leben. Leben ist Präsenz im Präsens. Das Leben lebt sich selbst und wir können aktiv daran teilnehmen – wenn wir wollen. Der Wille muss da sein. Wer vermag alles, restlos alles, loszulassen um frei und offen die Gegenwart und die Zukunft zu gewinnen, indem er präsent im Präsens, ganz loslässt, verankert sich im Sein, das ein Werden ist, in der einen Wirklichkeit, die immer wirkt und sich verändert. Befreit aus der Getrenntheit erlebt er die Heimat.

Selbstreflexion und kritisches Denken geben uns die Bescheidenheit und die Aufgeschlossenheit zu bemerken, wann es Zeit wird, unser Denken zu ändern: wenn unsere Ansichten mit den Beweisen kollidieren oder wenn wir uns aus irgendwelchen Gründen an etwas klammern, das nicht mehr richtig ist.

The Sikh greeting is: »Sat Sri Akaal.« It means: »The supreme consciousness is the Truth.« Deejay, 29. August 2020

Die Wahrheit ist es, die sich nicht verändert.

Werde hörend

12 Aug 2020

»Werde der du bist.«

»Ich bin, der ich bin.«

»Du darfst sein, der du bist.«

Der historische Jesus sagte: »Wer mir folgen will, der sage Nein zu seinem Ego, nehme sein Schicksal in die Hand und gehe wie ich den Weg.«  Matthäus 16, 24

Es geht um nichts anderes als, vom Ego befreit, in völligem Loslassen aller Dinge dem Wirken der Wirklichkeit Raum zu geben, sich der wahren Wirklichkeit zuzuwenden.

Es geht darum, recht zu reden, recht zu denken, recht zu leben. Die Nachfolge Jesu ist keine Lehre, sie ist ein Weg und kann in direkte Verbindung zu Zen, zu Tao, zum Sitzen, zur Meditation und so auch zum achtfachen Pfad des Yoga gebracht werden.

»Als mein Gebet immer andächtiger und innerlicher wurde, da hatte ich immer weniger und weniger zu sagen. Zuletzt wurde ich ganz still. Ich wurde, was womöglich ein größerer Gegensatz zum Reden ist, ich wurde ein Hörer. Ich meinte erst, Beten sei Reden. Ich lernte aber, dass Beten nicht nur Schweigen ist, sondern Hören. So ist es: Beten heißt nicht, sich selber reden zu hören, beten heißt, still werden und still sein und warten, bis der Betende Gott hört.«  Søren Kierkegaard

»Yoga hat viele gute gesundheitliche Nebeneffekte. Aber darum geht es letztendlich nicht. Der Weg, der Achtgliedrige Pfad des Patañjali, ist ein anderer. Yoga, Sitzen, meditieren, das sind alles nur Werkzeuge, die uns gegeben sind, um uns gut vorzubereiten, um wach zu sein, da zu sein, präsent zu sein, bereit zu sein. Was sich daraus entwickelt oder was kommt, wird sich zeigen. Wir können nichts erzwingen. Wir können nur offen sein, um zu empfangen.«  Gudrun Keller, Neresheim 2020

Loslassen. Zur Ruhe kommen. – Und dann?

11 Jul 2020

Gib alte Gewohnheiten auf, die dich an neuen Erfahrungen hindern.

Lass deine Gedanken zur Ruhe kommen. Werde leer. Komm in die Leerheit. Ruhe und Stille breiten sich aus.

Tiefe klare offene Weite. Offen sein für das, was der Moment bringt.

Zen sagt uns, was wichtig ist. Ich brauche nicht mehr zu tun.

Wissend werden – nicht glauben! 

Auch wissen, wenn ich nichts weiß.

Oftmals findet im Sitzen, gerade weil die Gelegenheit zur Rede nicht gegeben ist, ein eminent inneres Reden statt. Aus Sicht des Zen betrachtet, begegnet man dem inneren Reden mit Zulassen. Wir sind voll mit Bildern, Gedanken, Worten, Impressionen, Vorstellungen, Meinungen und Bewertungen, das sind Teile der Wirklichkeit, die wir sind. Wenn ich nun sitzte und sitze und sitze, kann es geschehen, dass ich immer weniger zu denken und zu sagen habe, entweder, weil alles gedacht und gesagt ist oder weil es mir zu dumm und zu langweilig wird, immerfort nur um ein und dasselbe zu kreisen. So werde ich still, werde ein Hörender, höre, ja lausche, was mir die Wirklichkeit sagen will. Nun ist sie es, die Gefühle in mir weckt, mir die Begriffe gibt. Und ich beginne auf neue Weise zu begreifen. Ich begreife, dass es Dinge gibt außerhalb meines Denkens, Dinge, die nicht so sind, wie ich sie mir denke und wie ich sie haben will, Dinge, die ein Eigenleben haben. Ich vernehme, werde aufmerksam. [...]

Auf solche meditative Weise entsteht, Wirken, [...] das als reines Wirken stattfindet, in dem das Ich, das Selbst, das Denken und das Nichtdenken enthalten und aufgehoben sind. Dieses ist das Licht, das uns allen in die Kindheit scheint, in der wir schon immer sind, in der Heimat der Identität, die in jedem mit Bewusstsein gelebten Augenblick neu Wirklichkeit wird.

Zitate von Dr. Karlheinz Bartel aus: »Was Hegel denkt, praktiziert Zen«

Sei einfach da. Nimm an, was ist. Lass zu, was du über deine Sinne aufnimmst, aber klammere dich nicht daran fest, lass die Gedanken kommen und gehen, atme ruhig ein und aus, beobachte den Atem.

Wir sind reich an Wissen, aber arm an Weisheit

1 Jun 2020

Erfüllung eines Verlangens erzeugt eine Illusion von Befriedigung. Die Erfüllung eines Verlangens macht dann glücklich, weil damit das Verlangen für kurze Zeit beseitigt scheint. Bei einiger Überlegung verstehen wir, dass nicht das Verlangen selbst, sondern das Freisein von ihm das Glück in sich trägt.

Gib alte Gewohnheiten auf, die dich an neuen Erfahrungen hindern. 

Prinzipien des Übens, Luise Wörle

Sie wussten nicht, dass es unmöglich war, darum machten sie es einfach. 

Mark Twain

Eine prosperierende Zukunft für alle ist nur machbar, wenn der Wohlstand massiv vom Naturverbrauch abgekoppelt wird, auch in der Landwirtschaft und bei den Treibhausgasen.

Fast die Hälfte der fruchtbaren Böden der Erde ist in den letzten 150 Jahren verschwunden; fast 90% der Fischbestände sind entweder überfischt oder einfach weg. Die Klimastabilität ist in echter Gefahr; und die Erde erlebt gerade das sechste große Artensterben ihrer Geschichte. – Die Erde wird überdauern. Alter der Erde: ca. 4,5 Milliarden (4.543.000.000) Jahre!

Eine kurze Abhandlung über die Zeit: vor rund 14 Milliarden (14.000.000.000) Jahren war der Urknall, es entstand Materie, Energie, Raum und Zeit. Etwa 300.000 Jahre später entstanden aus der Verbindung von Materie und Energie, Atome und Moleküle. Vor 4 Milliarden (4.000.000.000) Jahren verbinden sich Moleküle zu komplexeren Strukturen, die wir Organismen nennen. Vor etwa 2,5 Millionen (2.500.000) Jahren sind die ersten menschenähnlichen Tiere auf der Erde. Mit dem Homo sapiens werden vor gut 70.000 Jahren menschliche Kulturen geprägt, die etwas in Gang bringen, was die landwirtschaftlichen Revolution vor rund 12.000 Jahren weiter beschleunigt und mit der die wissenschaftliche Revolution vor knapp 500 Jahren ihren Anfang nimmt.

Die reichsten acht Menschen der Welt haben jetzt soviel Reichtum, wie die gesamte ärmste Hälfte der Weltbevölkerung.

Oxfam, 2017

Die Frage, ob in Zukunft jeder unterernährt sein muss, führt nicht zu einer Diskussion über technische Herausforderungen oder Überbevölkerung, sondern zu der verblüffend einfachen Frage, ob sich diejenigen unter uns, die bereits genug haben, ausreichend um die kümmern, bei denen es nicht reicht.

Die Wahrheit ist es, die sich nicht verändert.